Bluewashing, Pinkwashing und sonstige Formen der Verbrauchertäuschung
Bluewashing bezieht sich auf die Praxis von Unternehmen, sich als sozial verantwortlich darzustellen, oft durch die Assoziation mit anerkannten internationalen Organisationen und Normen, ohne jedoch substantielle Maßnahmen zu ergreifen, um soziale und ethische Herausforderungen anzugehen. Im Gegensatz zum Greenwashing, das sich auf Umweltclaims konzentriert, richtet sich Bluewashing eher auf soziale und ethische Aspekte.
Pinkwashing hingegen ist eine Praxis, bei der sich Unternehmen oder Marken mit LGBTQ+ Gemeinschaften oder anderen marginalisierten Gruppen solidarisieren, um ein progressives Image zu erzeugen, ohne jedoch eine substantielle Unterstützung oder inklusive Praktiken in ihrem Geschäftsbetrieb zu zeigen. Dies kann auch geschehen, um von der damit verbundenen positiven Aufmerksamkeit zu profitieren, ohne sich tatsächlich für die Rechte oder das Wohl dieser Gemeinschaften einzusetzen. Ein typisches Beispiel sind umgestaltete Unternehmenslogos in Regenbogenfarben während des alljährlichen Pride Month – allerdings nur in den Regionen, die der LGBTQ+ Community offen oder zumindest neutral gegenüberstehen, nicht aber zum Beispiel in arabischen Ländern oder in Rußland.
Weitere Formen sind zum Beispiel Purplewashing, bei dem es um Kommunikation über vermeintliche Gleichberechtigung der Geschlechter geht, oder Healthwashing, also die Kommunikation von bewusst irreführenden Gesundheitsversprechen.
Risikofaktor Greenwashing
Genau wie Greenwashing können alle zuvor genannten Methoden – bewusst oder unbewusst – auch von Vertretern der Bio- und Naturkosmetikbranche angewendet werden. Eine Auseinandersetzung mit dem Thema für mehr Sensibilisierung macht also auch branchenintern durchaus Sinn. Wie leicht ist das Logo von der Kommunikationsabteilung für ein paar Tage oder Wochen in Regenbogenfarben eingefärbt, aber in ihrem Unternehmen gibt es weder Unterstützung für ein LGBTQ+ Netzwerk noch Tamponautomaten auf den Herrentoiletten? Oder wie groß ist die Versuchung, ein Produkt dank CO2-Kompensation für bessere Absatzzahlen als „klimaneutral“ zu bewerben, statt in Maßnahmen zu investieren, die wirklich zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen in der eigenen oder vorgelagerten Produktion führen würden?
Vermeidbare Fehler oder vorsätzliche Täuschungsmanöver können das betroffene Unternehmen viel Geld kosten. „Wenn der grüne Anstrich bröckelt, sich nachhaltige Produkte als gar nicht so nachhaltig herausstellen, und Unternehmen offensichtlich ihrer Verantwortung nicht nachkommen, droht ein massiver Reputationsverlust bei Aktionären und Konsumenten. Viele Unternehmer unterschätzen die einhergehenden negativen Auswirkungen auf den Unternehmenswert“, weiß Gunter Lescher, Partner Forensic Services bei PwC Deutschland. Das Nürnberger Institut für Marktentscheidungen hat auch hierfür eine eindrückliche Zahl parat: 72 Prozent der befragten Konsumenten meiden Unternehmen oder Marken, denen falsche beziehungsweise irreführende Nachhaltigkeitsversprechen vorgeworfen werden.4
Im schlimmsten Fall warten die Klage und der Gang vor Gericht – so wie im Fall der Drogeriemarktkette dm. Die geriet zum Beispiel im Frühjahr 2022 gemeinsam mit mehreren anderen Unternehmen ins Visier der Deutschen Umwelthilfe (DUH), die im Interesse des Verbraucherschutzes juristisch gegen irreführende Werbeversprechen vorging, in denen behauptet wurde, Produkte seien „klimaneutral“. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH, begründete das Vorgehen ehemals so: „Das Werbeversprechen der Klimaneutralität ist vielfach Verbrauchertäuschung. Oftmals ist es eher ein CO2-Ablasshandel, mit dem sich Unternehmen grün waschen. So wird den Menschen Geld aus der Tasche gezogen, das Klima aber nicht geschützt.“ Diesen Sommer gab das Landgericht Karlsruhe der DUH recht, da so Erwartungen geweckt werden würden, die die betroffenen Produkte nicht erfüllten. Für den die DUH vertretenden Rechtsanwalt Prof. Dr. Remo Klinger kein Wunder: „Wie absurd das Modell der Kompensation ist, zeigt ein Beispiel: Statt mühsam und teuer die Emissionen Deutschlands tatsächlich zu senken, müsste der Bundesfinanzminister lediglich 19 Milliarden Euro im Jahr zahlen, damit Deutschland laut dieses Ablasshandels auf dem Papier ab sofort klimaneutral ist. Das ist weniger als die Hälfte des Jahresgewinns von BMW, Daimler und VW in 2021. Und real würde Deutschland die Klimakrise ungebremst anheizen.“
Egal wie man persönlich zur DUH und den Klagen steht – insbesondere gegen Greenwashing muss etwas getan werden. „Greenwashing zerstört Vertrauen und ist damit eine Gefahr für eine erfolgreiche Transformation unserer Gesellschaft“, warnte erst kürzlich auch Antje von Dewitz, Geschäftsführerin des Outdoorunternehmens Vaude, auf dem Businessportal LinkedIn. Denn mit jedem Greenwashing-Fall verringert sich nicht nur die Glaubwürdigkeit echter unternehmerischer Nachhaltigkeitsbemühungen, sondern verlieren wir als Gesellschaft auch wertvolle Zeit, die für echte und wirksame Nachhaltigkeits-Veränderungen nötig wäre.