3 Fragen an …
23.01.2024

3 Fragen an …

Benedikt Bösel Agrarökonom, Gründer und Geschäftsführer von Gut und Bösel

Benedikt Bösel, Gründer und Geschäftsführer von Gut und Bösel

„Die einzige verlässliche Versicherung für die Zukunft ist ein gesunder Boden und ein gesundes, intaktes Ökosystem.“

1. Wenn es um regenerative Landwirtschaft in Deutschland geht, fällt oft Ihr Name. Sie forschen und arbeiten seit rund fünf Jahren zu und mit diesem Thema. Was hat sich bis heute verändert und ist der Weg immer noch der richtige?

Als ich damals angefangen hab, hat das eigentlich erst mal noch keiner so richtig verstanden. Also weder die Unis noch Wirtschaftler und Forschungsinstitute. Die haben damals gesagt: Naja, Bäume auf dem Acker, Pflanzen und Tiere noch mit dazu - was soll daran so innovativ sein? Aber ich war und bin von diesem Weg absolut überzeugt. Denn die einzige verlässliche Versicherung für die Zukunft ist ein gesunder Boden und ein gesundes, intaktes Ökosystem.

Also habe ich damals mein Auto und Aktien verkauft, habe angefangen Bäume zu pflanzen und Kühe zu kaufen – mit der Hoffnung, dass Menschen verstehen, was wir machen. Das hat eine ganze Weile gedauert, bis das Gefühl in den Menschen gewachsen ist, dass die Landwirtschaft in den großen Krisen unserer Zeit auch eine große Bedeutung hat. Und wenn man das mitdenkt, dann wird sehr schnell klar, dass wir nicht nur auf Ertrag pro Flächengröße pro Jahr schauen können, sondern vollumfänglich über die Auswirkungen unserer Nutzung nachdenken müssen. Und dass wir uns eben nicht leisten können, ökologische und soziale Folgekosten der Produktion zu ignorieren. Diversifizierung und Anpassungsfähigkeit sind wichtig, um auf die klimatischen Veränderungen zu reagieren und damit auch ökonomisch sicher und unabhängiger zu sein.

2. Glauben Sie, dass sich das Konzept der regenerativen Wirtschaft bzw. regenerativen Landwirtschaft auf die gesamte Lebensmittel-Branche umschlagen lässt? Und was braucht es dafür noch?

Ich glaube, wir haben gar keine andere Wahl, als die gesamte Wertschöpfungskette dahingehend zu transformieren. Es muss unser aller Ziel sein: für jede Wirtschaftsform, für jedes Produkt, für jeden Service. Alles, was wir als Individuum oder Gesellschaft machen, muss immer so in das Ökosystem eingebettet sein, dass daraus Werte geschaffen werden. Werte in Bezug auf das Ökosystem, auf die Gesellschaft und im Grunde genommen auf all das, was unsere Basis des Lebens sicherstellt. Ein Beispiel: Wenn ein Unternehmen lediglich den Kohlenstoffausstoß ausgleicht und sich deshalb als klimaneutral bezeichnen kann, dabei trotzdem noch großen Schaden bei der Biodiversität anrichtet, dann reicht das natürlich nicht! Man muss vollumfänglich die Auswirkungen der eigenen Leistung im ökonomischen und gesellschaftlichen Kontext ausgleichen, wenn nicht sogar verbessern. Dazu müssen wir aber den Blick über die Landwirtschaft hinaus richten: In die Bildung, in die Wissenschaft, Technologieentwicklung, Zugang zu Land, die Frage wie der Kapitalmarkt an der Transformation Anteil nehmen kann und natürlich ganz vorne mit dabei auch die politischen Weichenstellungen, die darauf einen großen Einfluss haben können. Das True Cost Accounting kann da ein großer Hebel sein.

3. Ganz konkret: Welche Chancen bietet die regenerative Landwirtschaft für die Bio-Branche?

Im Grunde genommen sind die Prinzipien der ökologischen Landwirtschaft denen der regenerativen sehr, sehr ähnlich. Aus meiner Sicht versucht die regenerative Landwirtschaft nochmal ganzheitlicher über die Ökosysteme nachzudenken. Eine echte Definition gibt es dafür aber noch nicht.

Es hat Vorteile, weil Landwirte aus allen Systemen über die Potenziale und Methoden nachdenken, sich austauschen und anwenden können. Wer ernsthaft regenerative Landwirtschaft betreibt, wird langfristig auch ökologisch wirtschaften. Es hat aber natürlich auch Nachteile, weil jeder das (aus-)nutzen kann, ohne damit wirklich etwas zu machen. Wenn ich jetzt einfach ein neues Wort für etwas benutze, was ich eh immer gemacht habe, birgt das natürlich auch große Gefahr. Das kann vor allem bei Konsumenten zu einem großen Vertrauensverlust führen.

Aber: Ich kann mir vorstellen, dass so mancher Konsument, der Bio noch nicht so wahrgenommen oder sogar einen negativen Blick darauf hat, über den eher selbsterklärenden Begriff „Regenerativ“ sich dafür auf einmal begeistern kann und sich am Ende für die dahintersteckenden ökologischen Produkte entscheidet.

Es geht um Lebensmittel, um Leben, um Tiere und Menschen. Und dann wird es immer emotional. Ich würde mir wünschen, dass wir in Zukunft versuchen, weniger über Ideologie, Definition und Gräben zu sprechen, sondern mehr über Inhalte und schauen, wo wir Gemeinsamkeiten haben und wie wir uns unterstützen können.

Autor

Annette Bachert

Annette Bachert

Senior PR-Beraterin | modem conclusa gmbh