• 24.11.2025

Bio-Qualität ist gut! Kontrolle ist besser?

Wie unabhängige Prüfstellen, Bio-Siegel, engagierte Händler und echte Haltung die Glaubwürdigkeit von Bio stärken.

Geschrieben von Manuela Jagdhuber

Eine Holzkiste mit Tomaten​
© NürnbergMesse / Uwe Niklas

Bio-Qualität im Vertrauenscheck

Bio galt lange als Inbegriff nachhaltigen Konsums – als sichtbares Zeichen für Verantwortung, Qualität und fairen Umgang mit Natur und Mensch. Doch die letzten Jahre haben Spuren hinterlassen: Meldungen über falsch deklarierte Ware, Bio-Importe aus Übersee oder fragwürdige Zwischenhändler haben das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher stellenweise erschüttert. Oft reicht schon eine kleine Ungenauigkeit – ein missverständliches Etikett, ein unklarer Lieferweg – und eine hitzige Diskussion wird in den Medien entfacht. Das hat auch mit Psychologie zu tun: Negative Nachrichten prägen sich stärker ein als positive. Vertrauen ist fragil und muss immer wieder neu bestätigt werden. Für Bio heißt das: Jede Kontrolle, jedes glaubwürdige Projekt und jede transparente Kommunikation tragen dazu bei, Vertrauen zu festigen und Bio-Qualität zu bestätigen. Hinzu kommt: Moderne Nachhaltigkeitsbegriffe und Trends wie „regenerativ“ oder „klimapositiv“ treten zunehmend auf den Plan und konkurrieren in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Bio-Begriff. Was als Erweiterung gedacht ist, kann bei Konsumentinnen und Konsumenten auch Verunsicherung auslösen – vor allem, wenn unklar bleibt, worin sich die Konzepte tatsächlich unterscheiden. Dabei steht Bio-Qualität weiterhin für ein rechtlich klar definiertes, kontrolliertes System, das ökologische Prinzipien umfassend abbildet und damit die Basis für jede glaubwürdige Weiterentwicklung bildet – sichtbar gemacht durch verschiedene Bio-Siegel.   

 

Zahlen, die der Bio-Branche Zuversicht geben

Zugleich zeigen aktuelle Erhebungen, dass die Skepsis bereits wieder abnimmt. Laut einer Studie von Prof. Dr. Katrin Zander sind zwar nur etwa 15 bis 30 Prozent der Befragten vollständig von der Vertrauenswürdigkeit und Integrität von Bio-Produkten überzeugt, doch im Vergleich zu 2019 haben sich die Zweifel deutlich verringert.

Damals hielten noch knapp die Hälfte der Befragten Bio für einen Marketingtrick. Heute schätzen Konsumentinnen und Konsumenten die Wahrscheinlichkeit, dass Bio-Produkte „auch wirklich Bio“ sind, im Durchschnitt auf rund 60 Prozent – ein klarer Vertrauenszuwachs. Die Studie verdeutlicht außerdem, dass mangelndes Vertrauen in Bio-Siegel die Zahlungsbereitschaft deutlich mindert: Verbraucherinnen und Verbraucher, die den Kontrollsystemen nicht voll vertrauen, sind seltener bereit, höhere Preise für Bio-Produkte zu zahlen. Vertrauen bleibt also nicht nur eine Frage der Haltung, sondern auch eine wirtschaftliche Voraussetzung für den Erfolg von Bio. Das Vertrauen kehrt zwar langsam zurück – aber es steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der Bio-Siegel, die Bio-Qualität nach außen sichtbar machen.

 

Bio-Siegel-Vielfalt: Orientierung oder Verwirrung?

Neben dem EU-Bio-Siegel bzw. dem deutschen Bio-Siegel mit seinen Basisstandards prägen Verbandszeichen wie Bioland, Naturland oder Demeter das Bild der Branche – sie stehen für unterschiedliche Schwerpunkte und teils deutlich strengere Richtlinien. Diese Vielfalt stärkt die Bio-Qualität und Glaubwürdigkeit der Bio-Branche – macht Orientierung für Konsumentinnen und Konsumenten aber komplex.

Auch rechtlich bekommt diese Unterscheidbarkeit Gewicht: Mit der Empowering-Consumers-Richtlinie (EmpCo) und der Anpassung des deutschen Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) werden künftig vage oder unternehmenseigene Nachhaltigkeitslabels deutlich strenger bewertet. Unternehmen dürfen Nachhaltigkeitsaussagen oder -symbole nur dann verwenden, wenn sie nachweislich und überprüfbar belegt sind. Die neuen Vorgaben stellen zwar viele Unternehmen und Anbauverbände vor Herausforderungen – zugleich zeigen sie, wie gut die Bio-Branche aufgestellt ist, wenn es um überprüfbare Nachhaltigkeit geht. Erst kürzlich wurde erreicht, dass in der Gesetzesbegründung zum neuen § 2 Absatz 2 Nr. 2 UWG ausdrücklich festgehalten ist, dass sowohl die EU-Öko-Verordnung als auch darüberhinausgehende private Standards als Grundlage für „anerkannte hervorragende Umweltleistungen“ gelten. Dafür hatten sich unter anderem die AöL und Bioland gemeinsam stark gemacht. Somit sind Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen weiterhin zulässig, wenn sie sich auf geprüfte Bio-Standards stützen. Damit ist klar: Eigenkreierte Nachhaltigkeitszeichen ohne unabhängige Kontrolle werden künftig kaum Bestand haben – Bio ist dem längst voraus. Ein Beispiel außerhalb der Lebensmittelbranche bildet VAUDE: Das Label Green Shape war seit vielen Jahren etabliert und wird im Zuge der neuen EU-Regelungen in ein offiziell anerkanntes Zertifizierungssystem überführt. Die Freigabe durch die zuständige Prüfstelle steht noch aus, zeigt aber, wie Unternehmen glaubwürdig mit der neuen Transparenzanforderung umgehen können. 

Portrait Christian Fink​
© ÖkoP / Christian Fink

Kontrolle sichert Bio-Qualität: So funktioniert das Zusammenspiel von Kontrollstellen, EU-Öko-Verordnung und Verbänden

„Bio steht für Nachvollziehbarkeit und Kontrolle auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette“, sagt Christian Fink, Geschäftsführer der staatlich zugelassenen ÖkoP Zertifizierungs GmbH. ÖkoP prüft jährlich rund 4.000 Betriebe – vom Hof bis zum Handel – und vergibt darauf basierend die EU-Bio-Zertifikate. Mindestens einmal im Jahr findet eine Kontrolle statt, meist vor Ort, ergänzt durch unangekündigte Prüfungen. Entscheidend sind dokumentierte, nachprüfbare Fakten. Grundlage dafür ist die EU-Öko-Verordnung, die Standards für Tierhaltung, Betriebsmittel, Verarbeitung, Kennzeichnung sowie den Ablauf der Zertifizierung festlegt. Betriebe können zusätzlich Mitglied in Verbänden wie Demeter, Bioland oder Naturland sein. Diese setzen weitergehende Anforderungen, die in derselben Inspektion mitgeprüft werden. „Wir prüfen zwei Ebenen“, so Fink: die verbindlichen EU-Vorgaben und – bei Verbandsbetrieben – die zusätzlichen Standards. Das Ergebnis ist ein transparentes, klar geregeltes System mit unabhängigen Kontrollen – sichtbar am EU-Bio-Siegel und den Zeichen der Anbauverbände.

Bio plus: Haltung über das Produkt hinaus

Doch Glaubwürdigkeit endet nicht mit dem Bio-Siegel. Sie entsteht, wenn Unternehmen über gesetzliche Anforderungen hinaus Verantwortung übernehmen – wenn Bio zu einer Haltung wird. Ein Beispiel ist die Neumarkter Lammsbräu. Der Bio-Pionier achtet nicht nur auf eine hohe Bio-Qualität und zertifizierte Rohstoffe, sondern engagiert sich für den Schutz regionaler Wasserressourcen – die Basis jedes Bieres. Mit Projekten zur Renaturierung von Quellen und Kooperationen mit Landwirtinnen und Landwirten setzt Lammsbräu ökologische Verantwortung konsequent um. Solche Projekte untermauern die Glaubwürdigkeit von Bio, weil sie zeigen, dass Nachhaltigkeit hier nicht beim Produkt aufhört, sondern in der gesamten Unternehmenspraxis gelebt wird. Für sein Engagement erhält das Unternehmen den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2025. 

Der Handel als Hüter der Bio-Glaubwürdigkeit

Gerade in Zeiten komplexer Lieferketten und wachsender Sensibilität der Verbraucherinnen und Verbraucher sieht sich der Handel als Vermittler und Vertrauensstifter. Gunther Weiss, Leiter Qualitätsmanagement bei Alnatura, betont: „Unsere Kundinnen und Kunden wollen nachvollziehen können, wie und wo ein Produkt entsteht. Bio ist für sie ein Qualitätsversprechen, das durch transparente Prozesse und verlässliche Kontrollen eingelöst werden muss. Strenge Prüfungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Hof bis ins Regal – sind dafür entscheidend“, so Gunther Weiss. Daher weist Alnatura die Herkunft der Produkte klar auf der Verpackung aus.

Portrait Gunther Weiss
© Alnatura / Gunther Weiss​

Import-Bio im Spagat: Zwischen Anspruch und Realität

Besonders beim Thema Import-Bio zeigt sich, wie sensibel Vertrauen ist. Zwar unterliegen auch importierte Produkte mit Bio-Siegeln strengen Kontrollen und müssen den EU-Standards entsprechen, doch komplexe Lieferketten, unterschiedliche Kontrollsysteme außerhalb Europas und fehlende Transparenz über Zwischenhändler schaffen immer wieder Grauzonen. Oft ist die Ware rechtlich einwandfrei zertifiziert – doch die Glaubwürdigkeit leidet, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nachvollziehen können, wo und unter welchen Bedingungen produziert wurde. Die sogenannte „Grauzone Import-Bio“ ist daher weniger ein rechtliches als ein wahrnehmungsbasiertes Problem: Für viele Konsumentinnen und Konsumenten entsteht ein Widerspruch zwischen Bio-Ideal und globaler Handelsrealität. Warum kommen Bio-Kartoffeln aus Ägypten, wenn sie auch in Deutschland wachsen?  

Auch Alnatura steht vor dieser Herausforderung. „Für ein vielfältiges Sortiment brauchen wir Importe wie Bananen, Ananas oder Basmati-Reis. Ansonsten prüfen wir immer, ob es eine regionale Alternative gibt. Denn regionale Herkunft ist ein wichtiger Vertrauensfaktor“, so Gunther Weiss. „Zum Beispiel Bio-Soja konnten wir in den vergangenen Jahren zunehmend aus der EU und teilweise aus Deutschland beziehen.“ Die Entscheidung zwischen regionalem und importiertem Bezug hängt von Faktoren wie Entfernung, Qualität, Mengen und Preisen ab. Um ökologische und soziale Standards weltweit wie regional zu sichern, arbeitet Alnatura mit transparenten Partnern und unabhängigen Sozialstandards und lässt sich seit 2021 jährlich nach dem We Care Standard prüfen. „Dieser umfasst das gesamte Lieferkettenmanagement – vom Anbau im Ursprung bis zum heimischen Supermarkt.“ So wird nachvollziehbar, dass Bio-Qualität entlang der gesamten Wertschöpfungskette abgesichert ist.

 

Bio entwickelt sich – statt sich auf dem guten Ruf auszuruhen

In Zeiten hoher Preissensibilität steht Bio vor einer doppelten Herausforderung: Verbraucherinnen und Verbraucher achten stärker auf den Preis, gleichzeitig wächst der Anspruch an Transparenz und Glaubwürdigkeit. Nur wer nachvollziehbar zeigt, wofür Bio steht und welchen Mehrwert echte Bio-Qualität schafft, kann Vertrauen langfristig sichern. Organisationen wie die AöL oder engagierte Bio-Pioniere beweisen, dass sich die Branche nicht auf ihrem guten Ruf ausruht. Sie arbeiten kontinuierlich daran, Bio weiterzuentwickeln – hin zu noch mehr Fairness, Klimaschutz und Transparenz. Die Beispiele im Text machen deutlich: Hersteller, Verbände und Händler übernehmen Verantwortung, setzen auf konsequente Kontrolle und gestalten Bio-Qualität aktiv weiter. Glaubwürdigkeit entsteht dort, wo Haltung, Kontrolle und Innovation zusammenkommen – und wo Menschen Bio nicht nur produzieren, sondern leben.  

Autor

Porträt von Manuela Jagdhuber
Manuela Jagdhuber
Senior PR-consultant | modem conclusa gmbh