• 03.09.2025

Vollkorn strikes back?! Wo gibt es in Krisenzeiten die größten Wachstumspotenziale?

Im zweiten Jahr des neuen BIOFACH-Formats „SustainableFutureLab“ standen bei den drei gemeinsam mit dem GOOD FOOD COLLECTIVE ausgerichteten Veranstaltungen wieder gewagte Thesen zur Zukunft der Bio-Branche im Zentrum. Unter anderem wurde diskutiert, welche Rolle Nachhaltigkeit überhaupt noch spielt und wie veränderte Rahmenbedingungen sich auf Öko-Marketing auswirken.

Geschrieben von BioHandel

Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Kreis in einem Raum mit Pflanzen und entspannter Beleuchtung, während eine Person spricht und die anderen zuhören.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott

Für viele Konsument:innen steht Nachhaltigkeit beim Einkauf weniger im Vordergrund als früher. Hedonistische Kriterien wie Preis stehen im Zentrum. Und in erster Linie muss ein Produkt schmecken. Dass bei Verbraucher:innen eine gewisse Ermüdung beim Thema Nachhaltigkeit spürbar ist, war auf der BIOFACH 2025 mehrfach zu hören. Das  GOOD FOOD COLLECTIVE spitzte dieses Phänomen im SustainableFutureLab „Vollkorn strikes back?! Wachstumspotenziale zwischen Lifestyle und Planetary Health“ noch zu, mit der These „Sustainability is dead“ – Nachhaltigkeit ist tot. Über einen QR-Code konnte das Publikum live über die Thesen abstimmen. Und die meisten stimmten zu.

 

Keine Relevanz von Nachhaltigkeit in der Politik

In der Gesellschaft gebe es zwar eine breite Zustimmung zu Klimaschutz, argumentierte Journalistin Louisa Schneider, doch die Politik versäume es, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Deshalb sei Nachhaltigkeit politisch tot, so Schneider. Darüber hinaus kritisierte sie, dass der Begriff „Nachhaltigkeit“ inzwischen derart häufig im Marketing genutzt würde, dass er nicht nur bedeutungslos geworden sei, sondern sogar mit Greenwashing in Verbindung gebracht werde. Die Kommunikation rund um Nachhaltigkeit müsse sich ändern: weg von dystopischen Zuständen oder moralischen Zeigefingern, hin zu positiven Zukunftsbildern, die Hoffnung transportieren. Zwar müsste auch über Tatsachen gesprochen werden, aber ein Produkt müsse vor allem Zuversicht transportieren.

Drei Personen sitzen in einem Raum, zwei davon halten Mikrofone, während weitere Menschen und Pflanzen im Hintergrund sichtbar sind.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott

Voelkel und Wholey setzen auf Unterhaltung statt Moral

Jannis Meseke, Marketingleiter des Bio-Pioniers Voelkel, teilte die Einschätzung, dass Nachhaltigkeit als primäres Verkaufsargument nicht mehr ausreiche. Voelkel baue das Nachhaltigkeitsengagement zwar weiterhin systematisch aus, allerdings hätte sich die Hierarchie der Botschaften deutlich geändert.
Nachhaltigkeit bleibe bei Voelkel Kern der Unternehmensaktivitäten, die Kommunikation berücksichtige dabei aber die geänderten Ansprüche von Konsument:innen. Klare Botschaften, Entertainment und Spaß stünden dabei im Vordergrund. Ein aktuelles Beispiel sei die Aktion von Voelkel mit Bio-Tomatensaft in den Zügen der Deutschen Bahn. 

Philipp Stahr, Gründer und CEO der Marke Wholey, die bio-vegane Lebensmittel mit Gesundheitsfokus rund ums Frühstück anbietet, stimmte der Strategie von Voelkel zu, Nachhaltigkeit nicht ständig zu betonen. Wholey versuche die Leute mit  Lifestyle, Geschmack und Humor abzuholen. Als Marke reduziere Wholey die Komplexität für Kund:innen. Die Botschaft müsse sein, das Kund:innen entspannt konsumieren können und die Brand sich um den Planeten kümmert.

 

Planetary Health Diet – im Marketing bedeutungslos

Das Prinzip von Planetary Health im Gesamten und die Planetary Health Diet sind relativ neue Themen, die von der Wissenschaft erarbeitet wurden. Aber welche Rolle spielen sie in der Gesellschaft und für die Bio-Branche? Die These „Die Bios wissen nicht, was sie mit der Planetary Health Diet anfangen sollen“ fand unter den Teilnehmenden breite Zustimmung. Unter den Speaker:innen herrschte Einigkeit, dass das Prinzip von Planetary Health sich zwar zur internen Steuerung der Nachhaltigkeitsaktivitäten eigne, für Marketing jedoch nicht geeignet sei. Abgesehen von der fehlenden Bekanntheit in der Gesellschaft würde der Begriff abschrecken und so nicht zum Zeitgeist von Unternehmenskommunikation passen.

Beraterin und Coachin für klimafreundliche Ernährung und Spezialistin für Planetary Health, Estella Schweizer, schlug stattdessen den Begriff „The Green Plate Movement“ vor. Dieser verbinde den Ansatz der Planetary Health Diet, mit dem Fokus auf pflanzenbasierte und wenig verarbeitete Lebensmittel, die sowohl der Umwelt als auch dem Menschen guttun, und ergänze ihn mit einem Zero-Waste-Ansatz und bewusster Ressourcennutzung.

Bio im Kontext zunehmender Preissensibilität

Im SustainableFutureLab wurde auch diskutiert, ob Bio billiger werden muss, um signifikantes Marktwachstum zu erreichen. Das Publikumsvotum ergab ein klares Nein. In der Runde gab es ebenfalls Konsens, dass Bio preislich angemessen sei und die wahren Kosten von Lebensmitteln deutlich besser widerspiegle. Zudem wies Jan Niessen, Professor für Strategische Marktbearbeitung im Bio-Segment an der Technischen Hochschule Nürnberg, darauf hin, dass die Bio-Betriebe aufgrund kleinerer Gewinnmargen weniger Spielraum hätten als der konventionelle Markt. 

Drei Personen sitzen mit dem Rücken zur Kamera, eine trägt ein weißes T-Shirt mit Text und einer Cartoonfigur auf dem Rücken.
Menschen sitzen in einem Raum mit blauer und gelber Beleuchtung, im Vordergrund sind zwei Personen mit weißem und blauem Shirt zu sehen.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott

Für Voelkel-Marketingleiter Jannis Meseke war auch die Wertschöpfungskette ein wichtiger Aspekt, da hier nicht ohne Weiteres Preisreduzierungen durchgesetzt werden könnten und sollten. Dennoch seien Produkte im Preiseinstiegssegment Voraussetzung, um mehr Menschen den Zugang zu Bio zu ermöglichen. Handelsmarken und die Verfügbarkeit von Bio im Discount trügen einen wesentlichen Teil dazu bei. Die Marke Voelkel hätte davon keinen Nachteil. Bio-Marken müssten eine starke, werteorientierte Identität entwickelten, die Konsument:innen überzeugt und langfristig bindet. Preis sei wichtig, aber „Marke schlägt Preis“, so Meseke.

Die wachsende Preissensibilität in der Gesellschaft wurde in mehreren Veranstaltungen auf der BIOFACH thematisiert und war auch in einem dritten SustainableFutureLab von BIOFACH und dem GOOD FOOD COLLECTIVE mit dem zum Thema „Transformationskraft Retail – Bio-Wachstumspotenziale ohne Limits?“, in dem das Management führender Handelsunternehmen zu Fragen der Marktentwicklung des Bio-Handels zusammenkamen, ein zentraler Diskussionspunkt.

Dieser Artikel erschien in seiner ursprünglichen Version auf biohandel.de.

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