Wie gut ist der ökologische Landbau für die Klimakrise gerüstet
06.12.2023

Wie gut ist der ökologische Landbau für die Klimakrise gerüstet

Ein Gespräch über die Anpassungsstrategien für Landwirte mit den Anbauverbänden Bioland e.V. und Naturland e.V.

Bauer steht auf Feld und schaut in den Himmel
Auch der Bio-Landbau ist von der Klimakrise betroffen. Zwar erweist er sich als resilienter als konventionelle Anbaumethoden, doch auch in der Bio-Landwirtschaft nehmen Ernteausfälle durch Extremwetterereignisse zu. Welche Anpassungsstrategien gibt es für die Landwirte?
Portrait Werner Vogt-Kaute Werner Vogt-Kaute, Erzeuger-Beratung für Naturland e.V., Fachgebiete Ackerbau und Geflügelhaltung
Der ökologische Landbau ist aktiver Klimaschutz und seine Praktiken können helfen, mit den Auswirkungen des Klimawandels besser klar zu kommen. „In der Regel fallen die Ertragsverluste bei ökologisch wirtschaftenden Betrieben unter extremen Wetterbedingungen geringer aus als bei konventionell wirtschaftenden Betrieben. Das liegt zum einen an höheren Humusgehalten bei langjährig ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Zum anderen sind die Fruchtfolgen vielgliedriger und die Bewirtschaftungsmethoden an die Bedingungen angepasst, weil Gewaltaktionen wie Bodenbearbeitung unter zu nassen Bedingungen nicht möglich sind“, erklärt Werner Vogt-Kaute, Erzeuger-Beratung für Naturland e.V., Fachgebiete Ackerbau und Geflügelhaltung.
Geringe Niederschläge, milde, niederschlagsreiche Winter und Vorsommertrockenheit stellen eine Herausforderung für die Landwirte, konventionell wie ökologisch wirtschaftend, dar1. Hinzu kommen immer häufiger Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge und Hitzeperioden. „Natürlich ist auch der Ökolandbau von der Klimakrise betroffen. Auch wir haben stellenweise mit Trockenheit der Böden in Hitzesommern zu kämpfen, mit Starkregenereignissen und generell zu nassen Perioden, die die Ernten erschweren. Der ökologische Landbau erweist sich dennoch als resilienteres System und damit als wichtiger Teil der Antwort auf die Folgen des Klimawandels und der Eindämmung der Klimakrise“, so Sigrid Griese, Referentin Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Bioland e.V.
Portrait Sigrid Griese Sigrid Griese, Referentin Nachhaltigkeit und Klimaschutz bei Bioland e.V.

Regionale Unterschiede

Allein in Deutschland gibt es große regionale, teilweise lokale, Unterschiede bei der Betroffenheit von extremen Wetterbedingungen, weiß Griese: „Wir beobachten nicht nur großräumige Unterschiede bei den Niederschlagsmengen und der -verteilung, sondern auch unterschiedliche Szenarien innerhalb der Regionen. Wir verzeichnen innerhalb weniger Tage zum Teil auf fünf bis zehn Kilometern Fläche Niederschlagsunterschiede von bis zu 60 Litern. Das führt stellenweise zu großen Unsicherheiten bei den Landwirten. Hinsichtlich Dürreperioden ist tatsächlich der Nordosten etwas stärker betroffen als der Rest des Landes.“

Extreme erfordern mehr Flexibilität und Risikostreuung

Anpassungsstrategien in der Landwirtschaft sind von entscheidender Bedeutung, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Immer häufiger kommen Landwirte auf die Berater der Anbauverbände zu, um über Anpassungsmöglichkeiten zu sprechen. „Unsere Landwirte beschäftigen vor allem die zunehmenden Unsicherheiten und die Frage, wie sie Anbaurisiken senken können. In der Fachberatung setzt Bioland auf Diversifizierung, um Risiken breit zu verteilen. Das heißt zum Beispiel, noch vielfältigere Fruchtfolgen einzusetzen, neue Betriebszweige aufzubauen wie Agroforst2 oder Agri-PV3, aber auch die Absatzwege weiter auszubauen. Immer wichtiger wird auch der Aufbau von Kompetenzen im Umgang mit Wetterprognosen und Klimabilanz“, so Griese.

 

Anpassung der Anbaumethoden für Bodenschutz und Fruchtbarkeit

Landwirte können ihre Anbaupraktiken anpassen, um den veränderten Bedingungen gerecht zu werden. Dies kann die Anpassung von Aussaat- und Ernteterminen, aber auch die Verwendung von trockenresistenteren Sorten bedeuten. „Es gibt durch den Klimawandel ‚Gewinnerkulturen‘ und ‚Verliererkulturen‘. Beispiele für ‚Verliererkulturen‘ sind die Sommerformen der Erbsen und Ackerbohnen, die mit sehr hohen Temperaturen Probleme haben und der Winterroggen, der gerne einen kalten Winter hätte. Hier stellt sich die Frage nach Alternativen. Bei den ‚Gewinnerkulturen‘ wie den Hirsen gilt es, Erfahrungen im Anbau zu bekommen“, erklärt Vogt-Kaute.

Eine Abwandlung der „alten“ Regeln sei essenziell, so Vogt-Kaute: „Es ist im Hochsommer inzwischen oft zu trocken und heiß für eine Aussaat. Dafür steht im Herbst und frühen Winter mehr Vegetationszeit zur Verfügung.“ Durch eine Diversifizierung der Anbaupflanzen können sich Landwirte besser auf veränderte klimatische Bedingungen einstellen. Dies bedeutet, verschiedene Sorten und Arten von Nutzpflanzen anzubauen, um die Risiken von Ernteausfällen zu reduzieren. „Ein verstärkter Anbau der humusaufbauenden Kulturen wie Kleegras, Körnerleguminosen, Zwischenfrüchten und Untersaaten ist wichtig, um dem stärkeren Humusabbau durch höhere Temperaturen entgegenzuwirken. Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung der Fruchtfolgen. Es müssen neue Kulturen wie Sojabohnen oder Hirsen in die Fruchtfolgen integriert werden mit den dazugehörigen Zwischenfrüchten, die überwinternd sein sollten,“ erklärt der Erzeugerberater von Naturland.

Mittlerweile werden auch in Deutschland immer öfter Soja und Quinoa angebaut. Das Besondere an Soja ist nicht nur die Trockentoleranz – als Leguminose geht die Pflanze eine Symbiose mit Bakterien ein und entzieht Stickstoff aus der Luft4.  Auch der Anbau von Quinoa lässt sich gut in die Fruchtfolge auf dem Feld integrieren. Die Pflanze ist frost- und trockenresistent, hat eine hohe Temperaturtoleranz und wächst auf durchlässigen Böden5.

 

Ein Blick in die Zukunft: Veränderung bei Ökolandbau und Tierhaltung?

Mit Blick auf die Zukunft sehen die Anbauverbände die ökologische Landwirtschaft gut gerüstet:

„Die Klimakrise stellt die Stärken der Kreislaufwirtschaft und damit des Ökolandbaus heraus. Von diesem resilienten Anbausystem brauchen wir mehr. Das Ziel der Bundesregierung, den Ökolandbau bis 2030 auf 30 Prozent der Anbaufläche auszuweiten, ist dabei ein wichtiger Schritt. Innerhalb dieses Systems werden Trockenheitsverträglichkeit und -toleranz in der Pflanzenzüchtung immer wichtiger. Auch die wasserschonende Bodenbearbeitung, Bodenaufbau und -pflege spielen eine immer größere Rolle. Der Ökolandbau der Zukunft wird zudem sicherlich verstärkt mit technischen Innovationen arbeiten. Denkbar ist beispielsweise die Aussaat mit Drohnen, um der Verdichtung des Bodens zu begegnen“, fasst Griese zusammen.

Und auch die Viehwirtschaft muss sich an die, durch die Klimakrise hervorgerufenen, Veränderungen anpassen: „Wir kommen um eine allgemeine Abstockung der Tierbestände nicht herum, um die Klimakrise einzudämmen. Hier ist der Ökolandbau durch die flächengebundene Tierhaltung bereits ideal aufgestellt. Von immer größerer Bedeutung sind darüber hinaus Haltungssysteme, die an Hitzeperioden angepasst sind, dazu gehört die Züchtung auf mehr Hitzetoleranz aber auch Verwertbarkeit regionaler Eiweißfuttermittel. Denn eine weitere Frage, die immer relevanter wird, ist die Futtermittelbeschaffung in Zeiten einer Dürre oder anderer klimatischer Einflüsse, die eine Eigenversorgung erschweren. Verbandsmitglieder können hier auf unsere Fachberatung zurückgreifen und Kooperationen unter den Landwirten nutzen, beispielsweise über die Futtermittelbörse“, berichtet Griese.

Fazit – Die ökologische Landwirtschaft ist aktiver Klimaschutz und durch ihre Praktiken gut gerüstet für zukünftige Herausforderungen der Klimakrise. Doch um Erträge und bäuerliche Existenzen zu sichern, müssen auch hier regional unterschiedliche Anpassungsstrategien erfolgen. „Grundsätzlich ist der Ökolandbau gut aufgestellt. Die Werkzeuge für einen klimaangepassten Anbau müssen aber konsequenter genutzt werden“, fordert daher Vogt-Kaute abschließend.

Quellen:

[1] Bundesinformationszentrum Landwirtschaft. (o. D.). Extremes Wetter: Wie das Klima die Landwirtschaft verändert. Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.www.praxis-agrar.de/umwelt/klima/wie-das-klima-die-landwirtschaft-veraendert

[2] Agroforstwirtschaft bedeutet die Integration von Bäumen und anderen Holzpflanzen in landwirtschaftliche Systeme. Dies kann die Resilienz gegenüber extremen Wetterbedingungen verbessern und zur Kohlenstoffbindung beitragen. Agroforstsysteme überstehen länger anhaltende Trockenheit besser, weil sich im Schutz der Bäume das Mikroklima auf dem Feld verbessert und weniger Wasser verdunstet.

[3] Agri-Photovoltaik (Agri-PV) bezeichnet ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung von Flächen für die landwirtschaftliche Pflanzenproduktion und die PV-Stromproduktion.

[4] [1] Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus. (o. D.). Körnerleguminosen. Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft. www.lfl.bayern.de/schwerpunkte/eiweissstrategie/121828/index.php

[5] Weinhappel, M. & Schally, H. (2020, Januar). Quinoa. Niederösterreichische Landes-Landwirtschaftskammer.

Autor

Anna Frede

Anna Frede

Junior PR-Beraterin | modem conclusa gmbh