• 01.01.1

Bio kann Schule machen

Schulverpflegung als Hebel für mehr Bio-Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung

Geschrieben von Manuela Jagdhuber

Prof. Dr. Melanie Speck von der Hochschule Osnabrück setzt sich für eine zukunftsfähige Schulverpflegung ein – mit Bio, Bildungsgerechtigkeit und politischer Weitsicht.

Schulverpflegung als Hebel für mehr Bio-Lebensmittel in der Außer-Haus-Verpflegung

Auf der BIOFACH 2025 und dem begleitenden AHV-Kongress „STADTLANDBIO“ wurde deutlich: Schulmensen können zu Vorreitern für mehr Bio, Regionalität, Gesundheit und Klimaschutz werden. Sie erreichen täglich Millionen Kinder, prägen früh Ernährungsgewohnheiten und können durch die öffentliche Trägerschaft gezielt gesteuert werden kann. Während Frankreich und Schweden mit klaren politischen Vorgaben und Strategien vorangehen, steckt Deutschland vielerorts noch in den Startlöchern. Initiativen wie das EU-Projekt SchoolFood4Change und das Bewertungssystem TrueMensa (Beitrag der Technischen Hochschule Nürnberg, zu „Wahren Preisen in der Mensa“) zeigen, wie eine zukunftsfähige Schulverpflegung in der Praxis gelingen kann. Prof. Dr. Melanie Speck von der Hochschule Osnabrück erklärt, welche politischen und praktischen Schritte jetzt notwendig sind.

 

Warum gute Gemeinschaftsverpflegung der Schlüssel zu nachhaltiger Ernährung und Gesundheit ist

Täglich essen etwa sechs Millionen Kinder in deutschen Schulen und Kitas1. Und mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung wird die Verpflegung in Bildungsstätten künftig noch wichtiger. „Je mehr Kinder ganztags in der Schule sind, desto stärker steigt auch die Bedeutung einer guten, ausgewogenen und nachhaltigen Mittagsverpflegung“, betont Prof. Speck. Damit wird Schulverpflegung zu einem zentralen Hebel für die Transformation der AHV. Sie bietet nicht nur Potenzial für mehr Bio und Regionalität – sie ist auch ein Lernort, an dem Ernährung und Nachhaltigkeit erlebbar werden. „Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann dass alle Beteiligten die Extrameile gehen, die aktuell leider noch notwendig ist, um Bio umzusetzen – in Form von Beschaffungskompetenz, Verarbeitungskompetenz und dem Mut, sich auf den Weg zu machen“, verdeutlicht die Professorin für Sozioökonomie in Haushalt und Betrieb der Hochschule Osnabrück.

 

Bio-Produkte in der Schulverpflegung: Deutschlands Umsetzungsdefizit

Trotz des großen Potenzials für Bio und saisonale Speisen in der Schulverpflegung herrscht in Deutschland ein starkes Ungleichgewicht. Die Qualität variiert erheblich – je nach Bundesland, Kommune und Bildungsstätte. Der Grund: Die föderalen Strukturen schaffen regional sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen.

Häufig dominieren wirtschaftliche Kriterien die Ausschreibungen, nachhaltige Angebote haben das Nachsehen. Fehlende Frischküchen, zu wenig qualifiziertes Personal und kaum verankerte Ernährungsbildung verschärfen die Lage. „Es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsdefizit“, bringt es Prof. Dr. Melanie Speck auf den Punkt. „Wir wissen, was zu tun ist. Jetzt müssen wir es einfach machen.“

 

Besseres Kantinen-Essen: Was Deutschland von der Schulverpflegung im Ausland lernen kann

Andere Länder sind hier deutlich weiter: Schweden macht es seit Jahrzehnten vor. Bereits seit den 1970er-Jahren erhalten alle Kinder im Schulalter ein beitragsfreies und gesundes Mittagessen– finanziert durch Steuern und gesetzlich verankert. Öffentliche Einrichtungen sind verpflichtet, ökologische und soziale Kriterien bei der Lebensmittelauswahl zu berücksichtigen. Viele Kommunen setzen bereits einen Bio-Anteil von über 50 Prozent um. Städte wie Malmö (70 Prozent Bio) und Uppsala gelten europaweit als Vorreiter.

Auch Frankreich hat mit dem EGalim-Gesetz von 2018 verbindliche Vorgaben für öffentliche Kantinen eingeführt: Mindestens 20 Prozent der eingesetzten Lebensmittel müssen aus biologischer Landwirtschaft stammen. Kommunen werden beim Umstieg unterstützt – durch Förderprogramme, praxisnahe Leitfäden und Informationskampagnen.

Gleichzeitig ist Ernährungsbildung und fester Bestandteil des Schulalltags. Kinder lernen, woher ihre Lebensmittel kommen, und gestalten Speisepläne aktiv mit. Diese Kombination aus politischer Verbindlichkeit, finanzieller Unterstützung und pädagogischer Einbettung macht Schweden und Frankreich zu europäischen Vorbildern in Sachen zukunftsfähiger Schulverpflegung.

 

Politische Mindeststandards und Bottom-up müssen zusammenwirken

Auch Prof. Speck plädiert für klare politische Vorgaben:
„Wenn wir in Deutschland gesetzlich verbindlich 20 Prozent Bio vorschreiben würden – kombiniert mit einem Fokus auf pflanzenbasierte Gerichte – wäre das ein machbarer, aber wirkungsvoller Schritt.“

Doch auch die Praxis vor Ort entscheidet über den Erfolg. Transformation gelingt dort, wo Menschen motiviert sind – Küchen, die sich auf den Weg machen, brauchen Unterstützung, keine Überforderung“, so Prof. Speck. In Küchenworkshops mit ihrem Team zeigte sich: „Wenn Beteiligte mitgenommen werden, entstehen Veränderungen oft schneller als gedacht. Ein pragmatischer Einstieg ist der gezielte Einsatz von Bio-Komponenten – etwa Kartoffeln oder Karotten, die wir regional gut erzeugen können. Diese Strategie ist realistisch, wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll. In Kombination mit entsprechenden politischen Vorgaben ergibt sich daraus ein wirksamer Bottom-up-Ansatz“, erklärt Speck.

 

Erfolgsprojekte in der Praxis: SchoolFood4Change und TrueMensa

Wie eine nachhaltige Schulverpflegung konkret aussehen kann, zeigen zwei Projekte:

SchoolFood4Change, eine EU-Initiative, verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Nicht nur Speisepläne, sondern das gesamte Schulumfeld wird transformiert. In zwölf Ländern arbeiten Kommunen, Bildungsstätten, NGOs und Forschungseinrichtungen daran, Schulverpflegung zukunftsfähig zu gestalten.

In der Praxis heißt das:

  • Verbindliche Schulungen für das Küchenpersonal
  • Ernährung und Alltagsmanagement als fester Bestandteil des Unterrichts
  • Aktive Mitgestaltung durch Schülerinnen und Schüler (z. B. Speisepläne, Schulgärten, partizipative Kochaktionen)
  • Mehr pflanzenbasierte Bio-Gerichte

Der sogenannte Whole School Food Approach soll hierbei als Methode dazu beitragen, eine ganzheitliche Ernährungskultur in Bildungseinrichtungen zu etablieren und das Thema Ernährung dauerhaft in der Schulentwicklung zu verankern.

Auch TrueMensa, entwickelt an der TU Nürnberg, setzt auf systematische Verbesserung: Mit wissenschaftlich fundierten Kriterien können Schulen ihre Verpflegung bewerten – vom Bio-Anteil über die Nährwertqualität bis zur Schülerzufriedenheit. Erste Pilotschulen zeigen: Die Kombination aus datenbasierter Analyse und partizipativer Weiterentwicklung schafft Vertrauen und motiviert – von der Küche bis zur Elternschaft.

 

Schulverpflegung mit Wirkung: Wie Bio-Kompetenz und Partizipation die Außer-Haus-Verpflegung stärken

Die Projekte zeigen, wie es gehen kann und, dass es sich wirtschaftlich lohnt: „Wer heute in Bio-Kompetenz investiert, sichert sich einen Vorsprung bei öffentlichen Ausschreibungen, erfüllt steigende gesetzliche Anforderungen und positioniert sich als moderner, verantwortungsvoller Verpflegungsdienstleister“, fasst es Prof. Speck zusammen.

Einen zentralen Erfolgsfaktor sieht sie außerdem in der Einbindung der Kinder. „Je mehr Schülerinnen und Schüler Teil der Wertschöpfungskette werden und verstehen, woher ihre Lebensmittel kommen, desto besser – auch im Sinne von Bildungsgerechtigkeit“, betont Prof. Speck.

„Die Kinder sind oft viel weiter, als wir denken – wenn man sie ernst nimmt und beteiligt.“

1 Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat https://www.bmel.de/DE/themen/ernaehrung/gemeinschaftsverpflegung/gemeinschaftsverpflegung_node.html

Autor

Porträt von Manuela Jagdhuber
Manuela Jagdhuber
Senior PR-consultant | modem conclusa gmbh