• 10.09.2025

Verkauft! Die finanzielle Zukunft unseres Agrar- und Ernährungssystems

Im Rahmen des „SustainableFutureLab“ luden die BIOFACH und das GOOD FOOD COLLECTIVE in 2025 wieder zum Austausch über brisante Fragen ein. Mit internationalen Vertreter:innen der Bio- und Regenerativ-Bewegung diskutierten Teilnehmende in einer interaktiven Fishbowl neue Finanzierungsansätze für mehr Klimaschutz. Es ging um nichts weniger als die Frage: Muss Nachhaltigkeit ein Kostenfaktor bleiben – oder gibt es hier bisher unerschlossenes Potenzial für neue Renditen dank Umweltschutz?

Geschrieben von BioHandel

Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Halbkreis in einem Raum mit Pflanzen und farbiger Beleuchtung, einige halten Mikrofone und diskutieren.
© Nürnberg Messe GmbH / Sophia Weigand

Nachhaltigkeit gilt für viele Unternehmen als moralisches Muss, führt jedoch häufig zu steigenden Produktionskosten. Besonders ökologische Betriebe setzen auf umweltschonende Verfahren, die sich finanziell nicht immer sofort auszahlen. Doch wie kann sich ihr Engagement für die Natur langfristig rechnen?

Betriebe, die ökologisch wirtschaften, leisten einen klaren Mehrwert für Umwelt und Klima. Sie vermeiden synthetische Pestizide, schonen die Böden durch extensive Bewirtschaftung und betreiben Landwirtschaft mit Fokus auf Biodiversität und Tierwohl. Auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit langjährigen Lieferanten ist ein typisches Merkmal der Branche. All das bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich: Weniger Ertrag pro Fläche, höherer Arbeitsaufwand durch reduzierte Maschinennutzung – und damit wirtschaftliche Einbußen. Man kann also sagen: Was dem Klima und der Umwelt nützt, belastet oft die Unternehmensbilanz.

 

Natur in der Bilanz: Ein innovativer Finanzansatz

Tobias Bandel von der Landbanking Group stellte in diesem Event einen spannenden Lösungsansatz vor: Unternehmen können Naturleistungen bilanziell erfassen – als Investitionen statt als Kosten. Wenn etwa ein Betrieb beweisen kann, dass seine Maßnahmen konkrete ökologische Vorteile bringen, dürfen diese als Vermögenswerte in der Jahresbilanz geführt werden. Das stärkt nicht nur die Eigenkapitalbasis, sondern verbessert auch die Kreditwürdigkeit.

Drei Personen sitzen nebeneinander vor blauem Hintergrund, eine Person in der Mitte hält ein Mikrofon, die Gesichter sind unkenntlich gemacht.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott

Ergebnisorientierte Finanzierung: Nachhaltigkeit mit finanzieller Wirkung

Ein Beispiel zeigt die Wirksamkeit: Ein Unternehmen konnte durch transparente Offenlegung seiner Umweltleistungen bei einer Bank jährlich 200.000 Euro an Zinsvorteilen erzielen. Die Landbanking Group nennt dieses Prinzip „ergebnisorientierte Finanzierung“ – und möchte damit eine Brücke schlagen zwischen ökologischer Verantwortung und ökonomischer Rentabilität.

Zertifikatehandel: Eine begrenzte Lösung

Auch der CO₂-Zertifikatehandel wird häufig als Mittel genannt, um Umweltschutz wirtschaftlich attraktiver zu machen. Doch das System hat Schwächen. Ivo Degn von Climate Farmers weist darauf hin, dass der Markt aktuell vor allem großen, spezialisierten Betrieben zugutekommt. Kleine, vielfältig wirtschaftende Höfe – insbesondere mit Tierhaltung – haben das Nachsehen. Zudem ist der Zertifikatehandel auf CO₂-Reduktion fokussiert und ignoriert andere Umweltaspekte wie Biodiversität oder Bodenqualität.

Neue Sicht auf Ökosysteme notwendig

„Es darf nicht nur um CO₂ gehen“, betont Sarah Compson von der britischen Soil Association. Die Expertin fordert ein umfassenderes Verständnis von Ökosystemleistungen. Helfen würde, ein besseres Verständnis davon zu bekommen, wie Ökosysteme funktionieren und warum sie „das Lebenselixier unseres gesamten menschlichen Systems und unseres Finanzsystems sind“. Doch oft fehlt es an Mechanismen, um diesen Mehrwert messbar und damit marktfähig zu machen.

Zwei Personen sitzen in einem Raum und unterhalten sich mit einem Mikrofon, weitere Menschen sind im Hintergrund sichtbar.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott 
Eine Person mit langem Haar und bunter Bluse hält ein Mikrofon in einem Raum mit weiteren unscharf sichtbaren Personen im Hintergrund.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott

Bio wirkt – aber kann es das auch beweisen?

Eine brisante Diskussion entfachte sich um die Frage, ob Biolandwirtschaft nachweislich zur Regeneration von Ökosystemen beiträgt. Die Mehrheit der Teilnehmenden war skeptisch. Sarah Compson erläuterte, dass Bio-Zertifizierungen in der Regel input-orientiert sind – also auf die eingesetzten Mittel und Agrarmaßnahmen schauen, nicht unbedingt auf die Wirkung. Aber das sei nicht das Gleiche, wie keine Wirkung zu haben. Denn, der ökologische Landbau ist eines der wenigen Systeme, dessen positive Effekte wissenschaftlich dokumentiert sind.

Neue Wege der Zusammenarbeit gefragt

Ivo Degn sieht große Chancen in der Öffnung der Bio-Bewegung für nachhaltig arbeitende Landwirte, deren Betriebe noch nicht zertifiziert sind. Viele Höfe arbeiten längst ohne kritische Betriebsmittel – und könnten durch ein inklusiveres Bio-Verständnis stärker eingebunden werden. Damit würden neue Allianzen möglich, die ökologische Wirkung und wirtschaftliche Stärke vereinen.

Eine Gruppe von Menschen sitzt in einem Raum, im Hintergrund ist ein projizierter Text mit der Aussage „ORGANIC FAILS TO DEMONSTRATE THAT FARMS REGENERATE ECOSYSTEM“ zu sehen.
© blood actvertising GmbH / Sofie Ott
Zwei Personen sitzen in einem Raum mit blauer Beleuchtung und Pflanzen im Hintergrund, eine Person spricht mit einem Mikrofon.

Wirtschaftlichkeit und Fairness vereinen

Für Ryan Zinn von Dr. Bronner’s, einem US-Pionier für Naturkosmetik, liegt der Schlüssel nicht in neuen Prämienmodellen, sondern in fair kalkulierten Geschäftsmodellen. Die Produktionskosten sollten realistisch abgebildet und fair entlohnt werden, statt auf zusätzliche Fördermodelle zu hoffen.

blood actvertising GmbH / Sofie Ott
Auch Sarah Compson betont die Notwendigkeit einer Balance zwischen den Bedürfnissen der Landwirte und den Anforderungen des Marktes. Ein rein marktorientierter Ansatz greife zu kurz – nachhaltige Landwirtschaft brauche stabile, partnerschaftliche Rahmenbedingungen und eine systemische Perspektive.

Fazit:

Nachhaltigkeit ist kein Selbstläufer – zumindest nicht aus finanzieller Sicht. Doch neue Modelle wie die ökologische Bilanzierung und ergebnisorientierte Finanzierung zeigen: Es gibt Wege, Naturleistungen sichtbar und wirtschaftlich nutzbar zu machen. Die Diskussionen auf der Biofach 2025 zeigen: Der Wandel ist im Gange – aber er braucht Mut, Innovation und ein Umdenken auf vielen Ebenen.

Dieser Artikel ist in seiner ursprünglichen Version auf biohandel.de veröffentlicht worden. 

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